Montag, 9. Juli 2012

Die Tage und Wochen nach der Geburt (Teil IV)

Drei Tage nach der Geburt haben wir das Klinikzimmer geräumt und sind wieder nach Hause. Ohne Baby. Etwas was mich unglaublich belastet hat. Ich hatte zwar keinen Babybauch mehr, aber mein Baby war auch nicht bei mir. Die Tage verbrachten wir von Früh bis Spät bei ihm im Krankenhaus. Wir haben ihn gehalten, ihm so viel Nähe gegeben wie das Wärmebett zuließ und haben ihm leise erzählt wie stark er ist. Er sollte uns spüren, uns riechen und uns hören. 
Als wir ihn ein paar Tage später das erste Mal rausnehmen konnten, waren wir beide total überwältigt. Ich saß auf einem Stuhl, ein Kissen auf meinem Schoß, Purzel und seine ganzen Kabel in eine Decke gewickelt. 
Es ging täglich bergauf. Er konnte immer besser alleine atmen, er hat die Milch gut vertragen und alle Medikamente konnten langsam reduziert werden. Die Krankenschwestern haben uns gezeigt, wie wir ihn trotz Kabel und Schläuche selbst versorgen können und so wurde ganz schnell normal was noch vor ein paar Tagen eine Katastrophe war. Es war normal dass wir keine Eltern sind, die einfach mit ihrem gesunden Kind nach Hause fahren, sondern einen anderen, schwereren Start haben. Im Nachhinein denke ich schon dass wir einfach nur funktioniert haben. Denn die Zeit war sehr belastend. Aber wir haben zusammengehalten... uns gehalten. 


Der Brei-Schluck am zehnten postoperativen Tag ist positiv verlaufen. Alle im Raum, Ärzte, Krankenschwestern und besonders ich, waren erleichtert als die Kontrastflüssigkeit auf dem Bildschirm nach unten in seinem Magen lief. Das war das erste Mal dass Jonas etwas geschluckt hatte. Aufgrund der Fehlbildung konnte er das in meinem Bauch ja nicht üben. 


Und so konnten wir ihm ganz langsam, winzige Mengen mit der Flasche geben. Das was er nicht geschafft hat, wurde nach wie vor sondiert. 


Wir haben nie gefragt, wann wir denn auf eine andere Station dürfen oder wie lange wir überhaupt noch im Krankenhaus bleiben müssen. Denn wir empfanden diese Frage als anmaßend. Unser Baby wurde gerettet, es ging in die richtige Richtung. Uns war völlig egal, wie lange wir hier bleiben mussten wenn es Purzel dafür gut gehen würde. 


Deshalb kam die Nachricht sehr überraschend als wir nach 14 Tagen Intensivstation auf die Chirurgische Wachstation der Klinik umziehen durften. Dort gab es dann auch für mich die Möglichkeit, über Nacht bei ihm zu bleiben. Ich konnte mich auf seinen Rhythmus einstellen und mich immer um ihn kümmern. 
Weil Purzel zu schwach zum trinken war, mussten wir ihn alle vier Stunden wecken. Stillen hat kaum bis gar nicht funktioniert weil ihm einfach die Kraft fehlte. Seine Trinkleistung war insgesamt so schlecht dass er kaum Gewicht zunahm. Leider waren die Schwestern der Station total überfordert und hatten keine Zeit für Tipps und Tricks. Erst als der Entlassungstermin wieder auf der Kippe stand bzw. wieder verschoben wurde und uns wieder mit einer Magensonde gedroht wurde, hat sich eine Schwester die Zeit genommen, herauszufinden, wie wir Purzel zum trinken bekommen. 
Ab dann waren die Mengen zumindest nicht mehr besorgniserregend gering und wir durften nach insgesamt einen Monat Krankenhaus am 30.Oktober 2011 nach Hause. Zu diesem Zeitpunkt hätte Jonas noch 14 Tage in meinem Bauch sein sollen. 


Bei der Geburt wog er 1980g und war 45cm groß.





4 Kommentare:

  1. Es ist total beeindruckend wie du schreibst. Ich hab Gänsehaut, mir stehen die Tränen in den Augen & eigentlich fehlen mir die Worte. Ich glaube, was eine Mama mit einem schwerkranken Kind durchmacht kann niemand nachvollziehen, der so etwas nicht selber durch gemacht hat. Selbst wir als Kinderkrankenschwestern, Ärzte etc. die Menschen wie euch über einen langen Zeitraum begleiten & sogar ein Stück kennen lernen, kennen zwar das Gefühl von Angst, Schuldgefühlen, Zweifeln & allem was dazu gehört, aber so richtig wissen wie es ist, können wir auch nicht. Aber ich glaube man würde genauso reagieren wie ihr, denn es ist sein eigenes Kind.

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    1. Menschen mit Jobs wie deinem brauchen zwar eine gewissen Empathie, aber auch eine große Portion an Distanz. Man darf das Schicksal anderer, eigentlich Fremder, nicht mit nach Hause nehmen. Schlimm genug dass das die Betroffenen müssen. Aber die richtige Balance aus Mitgefühl und Professionalität macht eine Krankenschwester zu einer riesengroßen Stütze.

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  2. Liebe Conny,
    ich wollte auch hier nochmal sagen, wie toll ich deinen Bericht, deine Art zu schreiben und vor allem wie ihr das alles gemeistert habt finde. Ich bin überhaupt keine Heulsuse und wenn sogar mir ein paar Tränchen kommen heißt das was! Kaum zu glauben, dass Euer Kleiner jetzt schon so groß ist und das alles so gut weggesteckt hat! Hach...

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    1. Dann hab ich ja das Ziel, dich zum 'hachen' und bisschen weinen zu bringen, erreicht ;)

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Und was sagst du dazu? :-)