Dienstag, 24. Juli 2012

Ein bisschen Vojta und ein vieles bisschen mehr toller Tag!

Es war ein guter Tag. Ein besonders guter. Die Sonne hat gescheint oder geschienen (hier haut mir der Dialekt von hinten eins über die Birne und vernebelt meinen Grammatik-Verstand) und die Welt hat es gut mit uns gemeint. Wir starteten den zweiten Urlaubstag vom Lieblingsmann mit Kaffee und einem lachenden Purzel und waren am Nachmittag mit einem Freund beim Tollwood. Purzel war lieb und ich hab mir (und das ist wirklich etwas besonderes weil ich irgendwie doch immer zu nicht-alkoholischen Getränken greife) einen Hugo gegönnt. Und einen Latte Macchiato. Und ein ungarisches fettiges Dings mit Rahm und Speck. Und Schoko-Erdbeeren. Guter Tag. Hatte ich das schon erwähnt?


Der Lieblingsmann sitzt unten und darf ein bisschen PS3 zocken, nachher gibt es noch einen Salat (um das fettige Rahm-Speck-Ding auszutricksen) und der Purzel ist nach wildem Einschlafturnen dann doch noch ganz ruhig eingeschlafen. Momentan tut sich wieder einiges bei ihm. Weil er seit gestern rote Backen hat, vermuten wir schon den nächsten Zahnschub. Aber vielleicht ist es auch einfach nur die Hitze.

Seit Freitag, also heute den fünften Tag (hä? schon den füüüünften Taaaag??), "turnen" wir Vojta. Puh, sag ich da nur. Das hat's wirklich in sich. Aber ich erklär' am besten mal, was das eigentlich ist. 


Am besten erklärt das wahrscheinlich der Herr Wiki, aber dessen Erklärung ist in diesem Fall ziemlich trocken und Fachchinesisch. Darum versuch ich's mal im Mama-Jargon.Zwischen 1950 und 1970 hat ein schlauer Mann namens V. Vojta (der ein bisschen wie Mahatma Ghandi mit Augenbrauen von Bert aus der Sesamstraße aussieht) eine Therapie entwickelt, die die Entwicklung von Babys (aber auch Erwachsenen... und allem dazwischen) folgendermaßen beeinflusst: durch das Halten von bestimmten Positionen und das Stimulieren (also sprich, Drücken) von bestimmten Punkten am Körper wird dieser entweder zum Reflexumdrehen oder zum Reflexkriechen animiert. Verschiedene Positionen und Punkte sorgen also dafür dass der Körper mehr oder weniger gezwungen ist (oh Gott, es hört sich fürchterlich an!), Muskeln anzuspannen und sich ein Bewegungsmuster (das laut Vojta in jedem Gehirn angelegt ist) abzurufen. Durch regelmäßig wiederholtes Durchführen wird der Körper und das Gehirn immer wieder erinnert und ein Erfolg, also eine Weiterentwicklung, ist quasi vorprogrammiert und garantiert. Weil man Vojta einige Male am Tag (wir müssen zweimal am Tag, ein drittes Mal wäre noch besser) "geturnt" werden muss, müssen die Eltern natürlich mit ran.


Vielleicht kurz eingeschoben um zu verdeutlichen warum wir diese Art der Physiotherapie (die übrigens wissenschaftlich abgecheckt und von den Krankenkassen gezahlt wird) nun versuchen.

Purzel ist heute 9 Monate, 3 Wochen und 1 Tag alt. Das heißt, bald wird er 10 Monate. Doch korrigiert ist er 6 Wochen jünger... also ca. achteinhalb Monate. Zwar will ich betonen dass es mir natüüüürlich klar ist dass nicht jedes Baby gleich ist. Und jedes sein eigenes Tempo hat. Und wir für gute 8 Monate noch uuuuungefähr im Rahmen sind. 

Aaaaaber Purzel ist nun mal eine faule Socke. Momentan ist es so dass er eine super Hand-Augen-Koordination hat, seine Füße endlich entdeckt hat und sich drehen kann. Allerdings klappt nur Rücken-Bauch gut - und das seit Pfingsten. In den letzten 6 Wochen haben wir also viel seine Handstütz-Kraft und das Zurückrollen auf den Rücken geübt. Es geht voran, aber einfach uuuunglaublich langsam. Die Zeit bekommt er natürlich. Aber andererseits wäre es schon gut für ihn wenn er ein bisschen mehr Gas geben würde. Robben wäre ganz langsam an der Zeit. Oder auch der seitliche Sitz. 


Und deshalb versuchen wir es jetzt mal mit Vojta. Die Übung, die wir als erstes versuchen ist in Rückenlage und Purzel hat glücklicherweise (nicht wie vorerst befürchtet) keine Probleme mit der instabilen Luftröhre (Tracheomalazie).


So... und jetzt sag ich euch mal was ich da machen muss: Purzel liegt auf dem Rücken auf der Wickelkommode (und zwar quer vor mir). Mit einer Hand muss ich seinen Kopf um 30 Grad drehen und so halten. Findet schon mal nicht soooo witzig. Mit der zweiten Hand suche ich dann den Druckpunkt unterhalb der Brustwarze (zwischen zwei Rippenbögen) und übe mit dem Daumen Druck aus. Und zwar so stark dass ich spüre wie die Rippen ein bisschen Raum freigeben. Puh, ich sag euch... das ist krass! In dem Moment wo der Rippenraum aufgeht und Purzel die entsprechenden Muskeln anspannt, drücke ich gleichzeitig ein bisschen zur gegenüberliegenden Schulter und halte 10 Sekunden. Nicht lustig. Nicht für Purzel, nicht für mich. Er weint natürlich. Aber nur während der Übung. Laut Ober-Physiotherapeut Vojta und auch unserer Physiotherapeutin (der ich wirklich vertraue) haben die Kinder keinen Schmerz. Aber es ist unangenehm und sehr sehr anstrengend. Wir haben ein Ritual eingeführt damit er weiß wann er es geschafft hat. Ich lasse sofort eine Spieluhr laufen (natürlich nicht seine Einschlafmusik!) und lobe ihn und kuschle ihn wie verrückt. Sobald ich ihn hochnehme ist schon wieder alles gut. Dennoch ist das wirklich schwer für mich. Ihn "ohne Grund" zu quälen. Aber ich will vernünftig sein, durchhalten, mir vor Augen halten dass es zum einen nicht ohne Grund ist, zum anderen nichts mit quälen zu tun hat und einfach mal abwarten ob/wie er darauf reagiert. 


Im Internet gibt es einige kritische Stimmen bezüglich Vojta. Ich kann das durchaus nachvollziehen. Und einige Eltern brechen die Therapie ab weil sie es einfach nicht schaffen, mit einem schreienden Kind zu üben. Mal sehen... noch komme ich ganz gut damit klar. Kann aber auch daran liegen dass Purzel sich mehr beim Anziehen danach aufregt als beim Vojta selbst :)


Fall von euch jemand mit Vojta Erfahrung hat... Ich würde mich freuen wenn ihr schreibt, wie es euch und den Kleinen damit ging.  



1 Kommentar:

Und was sagst du dazu? :-)